-
Home /
- Texte /
- Betrachtungen zu "Requiem for a Dying Tree"
Betrachtungen zu "Requiem for a Dying Tree"
Die für das
"Münnerstädter Symposium 2008" von Gerald Kriedner geschaffene Rauminstallation "Requiem for a Dying Tree" ist am Eingang zu dem
mittelalterlichen Städtchen an den Ufern der Lauer platziert.
Vier Fragmente aus unterschiedlichen Materialien (Baumwurzel, Rohr aus Schleuderbeton, zwei menschliche Figuren aus Beton und Jute) hat Kriedner zu einem Ensemble zusammengestellt
und lässt dessen einzelne Teile miteinander korrespondieren, wobei sich der dieser Rauminstallation immanente gedankliche Inhalt über eine zunächst nicht einfach auf den "ersten Blick"
ableitbare Symbolik erklärt.
Steht einerseits der zum natürlichen Wachstum invertierte Baumstumpf als Symbol für die Entwurzelung und Vernichtung der Wälder durch den Menschen,
so symbolisiert das Rohr aus Schleuderbeton die technische Versiegelung der für eine Zukunft biologischen Lebens auf unserem Planeten unabdingbaren Lebensräume.
Denken wir in diesem Zusammenhang an unsere nähere Heimat, so betrifft dieses beklagenswerte Fortschreiten in der Vernichtung natürlichen Lebensraumes auch Münnerstadt und sein ländliches Umfeld.
In diesem Zusammenhang darf an den Bau der Autobahntrasse und der Zubringerstraßen erinnert werden. Schreitet die Zerstörung wichtiger Lebensräume und Biotope von seltener,
bereits heute vom Aussterben bedrohter Flora und Faune künftig fort, so wird der Mensch nicht nur große Teile unersetzbarer Landschaften und schließlich den "Blauen Planeten" gänzlich zerstören,
sondern er wird sich selbst seine Basis und seine Resourcen zur Fristung seines Lebens nehmen und "sich selbst zugrunde richten" (Zitat Gerald Kriedner).
In diesem Mahnmal zum Bewußtmachen der "hausgemachten" und leider exponentiell fortschreitenden Zerstörung inkorporiert Kriedner zwei menschliche Figuren,
die einerseits "Protest zum Asdruck bringen, andererseits aber beklagenswerte Gleichgültigkeit assoziieren sollen: Schließlich urinieren diese und hinterlassen ihre Stoffwechselschlacken
gedankenlos dem überbordenden Schadstoffstau in einem dekomensierten Entsorgungssystem..." (Zitat Kriedern).
Die beiden männlichen Torsos erscheinen zunächst widersprüchlich: Einerseits stehen sie aufrecht, in angedeuter Aktivität, sodass sie auf den ersten Blick wie lebendige Wesen aussehen,
andererseits aber sind die Betonfiguren von Binden und Jutenetz umwickelt, was sie wie "einbalsamiert" - also wie "vergangen" - erscheinen lässt.
Kriedners Absicht ist es mit diesem "Mahnmal" deutlich zu machen: Trotz halbherzigen Vulgärprotestes und schamlos zur Schau gestellter Gleichgültigkeit sind diese beiden Menschen längst zum Untergang
verurteilt. Beide also sind "künftighin tot... sie wissen es nur noch nicht" (Zitat Kriedner). Die beiden Menschen sind "lebende Mumien", so, wie die Masse der Menschheit sich in all ihrer
stumpfsinnigen Stereotypie bereits zu Lebzeiten gebärdet.
Nähme man diese stetig näher rückende Tragödie - in dieser Form - "zutiefst ernst, so müssten wir in Trübsinn und Verzweiflung verfallen", so der Künstler, "Da jedoch die Hoffnung zuletzt
stirbt...", wovon der Schöpfer dieser Rauminstallation überzeugt zu sein scheint, verleiht Kriedner seinem "Münnerstädter Mahnmal" einen der ernsten Tragik dieses Zerstörungsprozesse
entgegenstehenden Hauch von humoresken Flair.
Dr. med. Reiner Jesse, Hirschbach, den 08.09.2008