Selbstbetrachtungen


Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung im "Kunstraum Aschach" 01.05.06

"Eine Rose ist eine Rose, ist eine Rose, ist eineRose..."
G. Stein


In dem Sinn, so also, will ich meine Bilder und deren Inhalte betrachtet und verstanden sehen. Ausschließlich sind meine Umsetzungen Ergebnisse subjektiver An- und Einsichten. Gefühle und scheinbar Erkanntes bestimmen meine Themenwahl und diktieren, mehr oder minder spontan, Linienführung, Spannungsverhältnisse, Komposition und Farbauftrag.

Es ist der Mensch, mit seinen Unzulänglichkeiten und dementsprechenden Schwächen, der im Blickpunkt meines Wirkens steht. Dem homo "sapiens", auch Mängelwesen genannt, ist es - aufgrund seiner dualistischen Anlage, nämlich archaischem Triebgebundensein einerseits und andererseits mit Denkvermögen, d.h. mit Verstand ausgerüstet zu sein, auferlegt, während seines Daseins, sich zwischen beiden "Polen" stetig entscheiden zu müssen. Im Regelfall gleicht ein solcher Lebensprozess dem berühmten "Ritt auf der Rasierklinge".

Besonders Schwache und Chancenlose bleiben dabei auf der Strecke. Diese werden dazu neigen, Süchte zu züchten, zu kultivieren, um unerkannten Handlungsschwächen einen scheinbaren Sinn zu geben. Das ist der Grund, warum ich nach meinem "Mauer-Zyklus" die derzeitige Serie "Kultsüchte" nenne. Oft oder meist ist es die momentane Ohnmacht, die derzeitige Ausweglosigkeit, die eine "Individuen-Mehrheit" in dergleichen Verhaltensweisen treiben lässt und treibt, siehe dazu meine Bildfolgen zur Mager- und Fettsucht > Fastfoodfolgen! In meinem Schaffen lass ich mich von Assoziationen, die mir unter die Haut gehen, leiten: ironisierende, persiflierende Übertreibungen und dementsprechende Deformationen helfen mir beim Verdeutlichen des vermeintlichen Problems. Meinen problematisch-kritischen, spannungsgeladenen Inhalten ordne ich eine ebenso spannungsgeladene, vibrierende "Schichtmalerei-Technik" zu, denn diese hat ausschließlich Diener und Verstärker des Inhalts zu sein.

Umsetzer, so auch Künstler, lassen sich in ihren Handlungen von ihrem jeweiligen Geprägtsein leiten. Weil aber jedwede Prägung, anlage- oder umweltbedingt, individuell, d.h. unterschiedlich verläuft und ist, handeln Menschen - trotz gelegentlichen Bemühens um Objektivität - stets vorgeprägt voreingenommen, d.h. auch ichbezogen, ihrem ausschnitthaft scheinbar Erkanntem entsprechend.

So auch ich, denn mich selbst empfinde ich nicht als wissenschaftlichen Analytiker, sondern vielmehr als tätiges Individuum, das zunächst nur vor und für sich selbst mit dem "Finger" auf Unwägbarkeiten menschlichen Tuns und Seins zeigt.

Sollten Bildbetrachter vermuten, ich wolle durch mein malerisches Wirken Mensch und Welt verändern, so entgegne ich nüchtern: Nein. Ein Blick in die Geschichte belegt, dass weder Propheten und Philosophen, Warner und Mahner, noch sich bemühende Künstler jedweder Gattung, mögen sie von edelsten Gesinnungen beseelt gewesen sein, die Welt im Sinne eines "besseren Menschseins" verändern. Ein jeder beginnt bei "tabula rasa" d.h. fängt von vorne an und hat seine eigenen Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge zu durch- und erleben. Erkenntnisse anderer sind bestenfalls Beschleuniger, Katalysatoren, für die sich bereits auf dem Weg Befindlichen.
Und ebenso ergeht es Generationen, Völkerschaften und Nationen. Der Einzelne ebenso wie die Menschheit kann Wunder erhoffen, hat jedoch seiner Anlage gemäß, auf den "Äonen dauernden Werdegang der Evolution" zu warten.
Als Tätiger, als Umsetzer, vergleiche ich mich vor mir selbst eher mit einem Triebtäter, der in seinem Bemühen gegenwärtig Wahrgenommenes mittels Farbe und Form Inhalte zuordnet. Leitlinien meines Schaffens sind meine ausschnitthaften Erfahrungen, geprägten Gefühle und Ansichten und werden stetig von Medien und Umwelt - die ebenfalls subjektive Charaktere haben - gefüttert. Trotz mancher Bemühung werden wir, mehr oder minder, von Vorurteilen und Ängsten bestimmt, bestenfalls entziehen sich dem Träge, Untätige, also jene, die nichts tun. So also sind meine "Erkenntnisse", Schöpfungen meiner Ichbezogenheit, gewollt oder auch nicht. Wer etwas vermeint, er habe das Gelbe vom Ei erfunden irrt ebenso, wie jener, der glaubt, er habe den "Allein-selig-machenden-Weg", die "Allein-gültige-Wahrheit" entdeckt.
Vom Anzustrebenden, vom Angestrebten, wird jeder sich Bemühende, sisyphusgleich, stets nur einen Teilerfolg erringen.
Im Stillen über eigene Schwächen und Mängel, teils Ausweglosigkeiten, sinnierend, vermute ich gar oft, menschliches Lebensmotto habe sich an dem paradoxen Spruch "Selbst wenn jegliche Hoffnung verloren scheint oder ist, so gib dieselbe doch nicht auf..." zu orientieren.
Rasche Änderungen menschlichen Verhaltens und Seins? Desillusion!

Und dennoch lebe, wirke und male ich.

Gerald Kriedner